Home

Ikonographie der Monochromatik


DDR-Gründung: Monochromatische Inszenierungspraxis des politischen Machtapparates


DDR-Fernsehballet: Farblose Präsentation zwischen Werkbank und Wohnzimmercouch


Pionier-Halstuch: Dauerhafte Bestrahlung mit politischem Rotlicht


DDR-Geldscheine: Grau waren nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens


Genosse Erich Honnecker: Realitätsverlust im Wandlitzer Ghetto der unbunten Mutanten

War für den Zusammenbruch der ehemaligen DDR ein staatlich verordneter Zwang zur Monochromatik verantwortlich?
Neue Enthüllungen des Teuerpreis-Instituts

Das Ende der DDR ist seit den aktuellen Enthüllungen des Teuerpreis-Instituts in einem völlig neuen Licht zu sehen. Der ehemalige Arbeiter- und Bauernstaat ist nicht an der katastrophalen Versorgungslage oder an der massiven Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte gescheitert. Misswirtschaft des Staates und übergreifende Spitzeltätigkeit des MfS führten zwar zur nachhaltigen Unzufriedenheit in der Bevölkerung, waren aber nicht die eigentlichen Totengräber des politischen Systems.

Die gesamtdeutsche Geschichtsschreibung hat jetzt für das Scheitern der ehemaligen DDR einen neuen sensationellen Erklärungsansatz gefunden: Demnach ist der Zusammenbruch des real frustrierenden Sozialismus auf nichts Geringeres zurückzuführen, als auf die buchstäbliche "Gräulichkeit" des Alltagslebens im "wilden" Osten. Will sagen, die von staatswegen gewollte unbunte und farblose Präsentation des sozialistischen Lebens zwischen Werkbank und Wohnzimmercouch ist der wirkliche Grund, warum die DDR als Staatsentwurf scheitern musste. Das Teuerpreis-Institut hat durch systematische Analyse der damaligen ostdeutschen Lebensweise jetzt vier chromatisch motivierte Erklärungsansätze zum politischen Scheitern der ehemaligen DDR identifiziert:

1. Der öffentliche Raum in der DDR war eine gigantische unbunte Grau-in-Grau-Installation, die den Bedürfnissen der DDR-Staatsbürger grundlegend widersprach. Die monochromatische Inszenierungspraxis des politischen Machtapparates schuf so eine gesellschaftliche und urbane Wirklichkeit, die an menschenverachtender Unwirtlichkeit, an stumpfer Monotonie der Artefakte nicht zu überbieten war. Der schmucklose sozialistische Einheitslook des Alltäglichen war die Ursache für die meisten DDR-Bürger, die innerliche Hinwendung zur westlichen Chromatik zu forcieren. Allein das westliche Fernsehprogramm glänzte aus der Ostperspektive wie ein Libelle im Sonnenlicht, wobei jeder eine andere Farbe aufleuchten sah. So ist es nicht verwunderlich, dass die Einführung des Farbfernsehens im Westen nachweislich mehr zum Niedergang der DDR beigetragen hat als der gnadenlose Konkurrenzkampf der politischen Systeme.

2. Aufzucht der Kinder und Jugendlichen im diffusen oder direkten "Rotlichtmilieu" des MfS-gesteuerten Überwachungsstaates hatte eine kontraproduktive, ja sogar konterrevolutionäre Wirkung: Aus der modernen Pädagogik ist bekannt, dass die dauerhafte Bestrahlung mit politischem Rotlicht genau das Gegenteil von dem bewirkt, was beabsichtigt ist. Denn das Rot der ideologischen Bestrahlungsmaschinerie vermischt sich im Körper der Probanden mit dem sauerstoffarmen Blau des Blutes und erfährt nach den Gesetzmäßigkeiten der Farbenlehre eine gesinnungsmäßige Braunfärbung. Es sind demnach die einfachen Mechanismen der additiven Farbmischung, die den latenten Faschismus in der ehemaligen DDR und den Neofaschismus im heutigen Neufünfland erklärbar machen.

3. Den Widerspruch zwischen Theorie und Praxis konnte die ehemalige DDR nicht beheben: Wir alle wissen, grau ist jede Theorie. So erhalten wir eine schnelle Vorstellung von einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der es überwiegend bei der Theorie geblieben ist. Theoretisch und entsprechend grau waren nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in der ehemaligen DDR. Bunt ging es dort nirgendwo zu.

4. Das Schwarz-Weiss-Denken in politischen Systemfragen führte bei der Regierung der DDR zur einseitigen und eintönigen Einschätzung der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Dies war der Nährboden für die grandiosen Fehleinschätzungen und für den zunehmenden Realitätsverlust im Wandlitzer Ghetto der unbunten Mutanten. Honneckers Lieblingsspruch "Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs´ noch Esel auf" hätte wirklichkeitsgetreu ergänzt werden müssen mit dem Satz: "Aber vor den Polychromaten in den kapitalistischen Staaten - vor denen hüte dich, denn ihr Tun wirkt fürchterlich."

Fazit:
Zwar glaubten die Staatsführer der DDR, den Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit durch die Abschaffung privater Produktionsmittel überwunden zu haben, vernachlässigten dabei aber das Grundbedürfnis des Menschen nach frischen Farben und bunter Vielfalt. Die zwangsweise verordnete Monochromie ist die eigentliche Ursache für die ostdeutsche Verachtung des Farblosen und für den Zusammenbruch der DDR. Die SED hat ihre politische und moralische Reputation durch die monochromatische Interpretation des Farbspektrums verloren. So war die deutsch-deutsche Teilung auch eine brutale Grenzziehung zwischen bunter und unbunter Lebensführung. Das mit ideologischem Grauschleier des historischen und dialektischen Materialismus zugeklebte und damit verkümmerte kritische Bewusstsein der ehemaligen DDR-Bevölkerung konnte sich nur durch einen revolutionären Akt der Selbstbefreiung chromatisch neu sortieren. Die alten Paletten der grauen sozialistischen Vorzeit wurden durch die neue bunte Welt des Kapitalismus ersetzt. Nur so konnte der graue Star aus seinem engen Käfig entfliehen und einem bunten Kolibri Platz machen, der durch seine Kunstflugeigenschaften imstande war, den süßen Nektar der kapitalistischen Profitwirtschaft aufzusaugen. Das heißt, letztlich hatte der Kapitalismus deshalb gesiegt, weil er mehr und bessere Farben hatte.

Dr. Helmut Schönfärber